PM: Feldenkrais und die Möglichkeiten, Musikern zu helfen

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Die Karlsruher Professorin Renate Greiss-Armin über ihre persönlichen Erfahrungen
München/Karlsruhe, Februar 2016. Gesundheitsprobleme erwachsen sowohl aus den Bedingungen, die der Arbeitsplatz mit sich bringt, als auch aus eigenem Verhalten. So führen beispielsweise einseitige, statische Belastungen am Arbeitsplatz oftmals zu Rückenerkrankungen, Kopf- und Nackenschmerzen und den gefürchteten Sehnenscheidenentzündungen. Davon können vor allem viele Musikerinnen und Musiker ein Lied singen. Renate Greiss-Armin, Professorin für Querflöte an der Hochschule für Musik in Karlsruhe, hat die Feldenkrais-Methode dabei geholfen, ihre schmerzhafte Schulter in den Griff zu bekommen. In Karlsruhe (IHK Haus der Wirtschaft) findet auch vom 3. bis 6. März 2016 die Jahrestagung des FVD Feldenkrais-Verband Deutschland e.V. statt. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob und wie FELDENKRAIS® Impulse in der Arbeitswelt geben kann.
Spielerisches Experimentieren ermöglicht die Erfahrung von alternativen, leichteren Bewegungsabläufen, die sich schnell etablieren. Viele Übungssequenzen sind direkt am Arbeitsplatz durchzuführen und erweisen ihren Wert so bereits in der Alltagspraxis. Der langfristige Nutzen solch wohltuender Vereinfachung und besserer Koordination ist schnell spürbar: die Arbeit geht leichter und freudiger von der Hand, wenn weder Schmerz noch krankheitsbedingte Fehlzeiten von KollegInnen den Arbeitstag belasten. Diese Erfahrung kann Prof. Greiss-Armin im Interview bestätigen.
Wie sind Sie auf FELDENKRAIS® aufmerksam geworden?
Prof. Renate Greiss-Armin: Ich habe früher schon mal mit der Alexandertechnik gearbeitet, habe dann später aber viel von meinen Studentinnen und Studenten von Feldenkrais gehört. Nachdem ich lange Zeit heftige Beschwerden in der Schulter hatte, bin ich zum ersten Mal zu einer Feldenkrais-Practitionerin gegangen.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass viele Musikerinnen und Musikern durch die Ausübung ihres sehr anspruchsvollen Berufes Probleme mit der Haltung haben, nicht wahr?
Prof. Renate Greiss-Armin: Nein, das ist sogar weit verbreitet. Vor allem diejenigen, die asymmetrisch arbeiten, so wie ich als Flötistin, oder die Streicher im Orchester, aber auch viele Pianisten leiden an dauerhaften Beschwerden am Rücken oder in der Schulter. Ich weiß von einem Violinprofessor in Berlin, dass er seinen Studierenden die Möglichkeit gibt, mit Feldenkrais zu arbeiten. Ich wünschte mir, viele Hochschulen würden seinem Beispiel folgen, denn ich bin sicher, dadurch würden Ausfälle durch Krankheit vermieden und die Haltungsschäden vieler deutlich gemildert. Das Muszieren würde deutlich erleichtert. Bei uns wird zwar die Alexandertechnik angeboten, aber da stehen die Studenten Schlange. Die meisten vergebens, weil es viel zu wenig Plätze gibt.
Ihnen hat die Arbeit mit Feldenkrais sehr geholfen. Schildern Sie uns doch bitte Ihre ganz persönlichen Erfahrungen.
Prof. Renate Greiss-Armin: Ja, mir geht es richtig gut seit ich mit Feldenkrais begonnen habe. Ich war nah dran an „Frozen Shoulder“-Syndrom und stellte mich auf eine langwierige Therapie ein. Das kann Jahre dauern, bis das wieder gut ist, sagten mir viele. Aber ich war schneller wieder fast schmerzfrei als gedacht. Dennoch war ich fast ein halbes Jahr in Behandlung, manchmal zweimal in der Woche. Meiner Feldenkrais-Practitionerin ist es zu verdanken, dass es doch so zügig ging, darüber war und bin ich sehr froh. Bevor ich anfing, konnte ich mit dem linken Arm nicht mehr nach hinten greifen oder ihn nach oben ausstrecken. Das war nicht nur sehr schmerzhaft, sondern hat mich auch in meiner Bewegung stark eingeschränkt.
Wie sah das in der Praxis aus?
Prof. Renate Greiss-Armin: Wir haben vor allen Dingen viel liegend gearbeitet. Das waren alles ganz sanfte, aber ausgesprochen wirkungsvolle Bewegungsabläufe. Ich habe begriffen, welche Stränge im Körper voneinander abhängen, wie alles zusammenhängt und welche Verbindungen zwischen Schulterblatt und Gelenken bestehen. Aus meiner inneren Verspannung heraus wurde ich immer lockerer und der Schmerz ließ mit der Zeit immer mehr nach.
In Ihrem Beruf spielt ja die Atmung eine große Rolle. Hat Ihnen da Feldenkrais auch geholfen?
Prof. Renate Greiss-Armin: Das war eher ein Nebeneffekt, denn die Atmung ist bei uns ja ohne dies geschult. Aber meine Therapeutin bat mich mal, meine Flöte mitzubringen und ihr etwas vorzuspielen. Dabei hat sie genau beobachtet wie ich atme, im Sitzen und im Stehen, und sie hat gesehen, dass ich sogar noch tiefer atmen kann, was ich auch dankbar angenommen habe.
Machen Sie manchmal noch Ihre Übungen im Alltag?
Prof. Renate Greiss-Armin: Aber ja, vor allem beim Autofahren nehme ich gelegentlich meine Haltung bewusst wahr und korrigiere sie. Oder ich bewege im Sitzen mal eben die Schultern ganz sanft nach oben und unten. Das hilft.
Haltung ist ja nicht nur eine Frage des Körpers. Denken Sie, dass Feldenkrais auch auf die innere Einstellung abzielt?
Prof. Renate Greiss-Armin: Ganz sicher. Wenn man bei sich selber anfängt, auf sich zu achten, sich wohl zu fühlen, denn tut man das ja auch bei anderen. Aber man muss eben immer zuerst bei sich selber anfangen, immer mal wieder in sich hineinzuhören. Innere Elastizität ist da sehr hilfreich.
Was hat Sie am meisten beeindruckt?
Prof. Renate Greiss-Armin: Ich glaube, es war die Art des Umgangs miteinander. Die Ruhe bei der Feldenkrais-Arbeit hat mich nachdrücklich beeindruckt. Das zutrauende, ruhige und anregende Behandeln. Der Unterschied zu einigen anderen Behandlungsmethoden ist vielleicht der, dass hier nicht nur an einem herumgeschraubt wird. Natürlich geht auch hier viel vom Behandelnden aus, aber er nimmt einen viel mehr mit.
Vita Prof. Renate Greiss-Armin: Musikstudium in Hamburg und Freiburg, fünf Jahre Soloflötistin im Philharmonischen Orchester Hamburg, seit 1980 Professur für Flöte an der Hochschule für Musik Karlsruhe, Konzerte und Meisterkurse in Europa und Asien.
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