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Moshé Feldenkrais zum 118. Geburtstag

C) Lea Wolgensinger

Anlässlich des Geburtstages und des Krieges in der Ukraine möchten wir einmal wieder auf den biographischen Hintergrund von Moshé Feldenkrais aufmerksam machen. Die Erlebnisse, die Moshé in seiner Kindheit mit Krieg, Verfolgung und antisemitischen Pogromen erleiden musste, haben die Entwicklung der Feldenkrais-Methode geprägt und es zeigen sich z.T. deutliche Parallelen zu den aktuellen Ereignissen.

Moshé Feldenkrais wurde am 06.05.1904 im ukrainischen Slawuta, das damals noch zum Zarenreich gehörte, geboren. Obwohl die Juden in Slawuta mehr als die Hälfte der Bevölkerung darstellten, musste Moshé bereits mit drei Jahren mörderische Progrome von Judenhassern erleben, die Familie konnte gerade noch fliehen. Die Familie zog zunächst in die benachbarte Stadt Kremenez, wo Moshé in die Schule ging. Die Lage der Juden war in Kremenz jedoch prekär, da die Stadt außerhalb des erlaubten Ansiedlungsraums für Juden lag. Juden waren nur auf Abruf geduldet. Die Familie zog daher 1912 weiter nach Baranowicze (Weißrussland). Hier ließ zunächst der unmittelbare antijüdische Druck nach. Ein Erlebnis hat aber auch hier Moshé besonders geprägt: Um auf einen Tintenfleck im Gesicht eines bewunderten christlich-russischen Lehrers aufmerksam zu machen, berührte er diesen am Gesicht. Dieser brüllte ihn jedoch wegen dieser „Dreistigkeit“ an, da das Berühren eines Christen durch einen Juden ohne Erlaubnis streng verboten war. Moshé schwor sich, nie wieder einen Christen zu berühren und nie zu vergessen, dass er ein Jude ist.

Die Region Ukraine/Weißrussland (und auch Polen) war in der Geschichte immer wieder ein umkämpfter Puffer zwischen den Interessengebieten der Großmächte, damals Österreich-Deutschland und Russland. 1914 erklärte der deutsche Kaiser Russland den Krieg. Im Verlauf mussten die russischen Truppen das Gebiet aufgeben und zerstörten beim Abzug soweit wie möglich die Infrastruktur. Die einrückenden Österreicher bzw. besonders die Deutschen kamen nicht als Befreier, sondern als räuberische Eroberer. Die Einwohner wurden zur Zwangsarbeit verpflichtet, Lebensmittel wurden beschlagnahmt, es drohte Hungersnot.

Ein weiteres Erlebnis prägte Moshé in dieser Zeit: Er wurde Zeuge, wie christlich-russische Nachbarn ein Schwein zu Boden drückten und ihm dann die Kehle durchschnitten, wobei das Tier mitleiderregende Schreie von sich gab. Moshé warf sich vor, dass er das kleine Schwein nicht gerettet hatte, dass er ein Feigling war, und schwor sich, so groß und stark zu werden, dass er es mit Schurken aufnehmen kann, denn „dem Schwachen wird niemals Gerechtigkeit widerfahren“. (s. zur Biographie und Moshés Erinnerungen die Biographie von Christian Buckard, Moshé Feldenkrais – der Mensch hinter der Methode sowie die Original-Schulhefte von Moshé, zu beziehen im Online-Shop des FVD).
Im Rückblick glaubte Moshé Feldenkrais, dass das Erlebnis mit dem Schwein der Grund war, später Judo-Schüler bei Jigoro Kano zu werden. In jedem Fall führten die leidvollen Kindheitserlebnisse u.a. dazu, dass Moshé sein Selbstverständnis als Jude aufbaute, einen starken Gerechtigkeitssinn und Respekt vor Anderen heraus bildete sowie das Ziel verfolgte, Stärke und Verteidigungsfähigkeit zu entwickeln. So ist auch verständlich, dass Moshé, angekommen im neuen jüdischen Land Israel, zunächst eine neue Art einer effizienten Selbstverteidigungstechnik entwickeln wollte. Diese Hintergründe der Entwicklung der Feldenkrais-Methode darf man zum Verständnis der Methode und zur Bewertung aktueller Ereignisse nie vergessen.

Die Feldenkrais-Community hat als Erbe der Feldenkrais-Methode und den hinter der Methode stehenden Erfahrungen, Absichten, Menschenbild und Leitgedanken von Moshé Feldenkrais eine besondere Verantwortung, Krieg, Verfolgung und den wieder erstarkenden antisemitischen Einstellungen entgegenzutreten und besonders wachsam für Entwicklungen zu sein, die diesen Tendenzen Vorschub leisten.

(Vorstand FVD Feldenkrais-Verband Deutschland e.V.)